Vorsicht mit den Träumen - sie könnten in Erfüllung gehen!



Buddha sagt: "Laufe nicht der Vergangenheit nach und verliere dich nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist noch nicht gekommen. Das Leben ist hier und jetzt."







Montag, 25. April 2011

Es war einmal ...

eine Perfektionistin.  


Schoener Wohnen lag bei ihr im Trend.  Haus mit Wintergarten und Garten, schmusige Haustiere, jahreszeitlich wechselnde Dekorationen, bluetenweisse Bettwaesche, kuschelige Frotteetuecher, Kerzen, Pflanzen, Stuck und Gemaelde an den Waenden.

Ausserdem war noch die Karriere wichtig und die Anerkennung der Berufswelt. Hobbykoechin war sie auch noch, dementsprechend mussten Kueche und Speisezimmer ausgestattet sein und selbstverstaendlich war sie auch darauf bedacht, selbst immer so gepflegt wie moeglich auszusehen. Ausserdem - eh klar - wollte sie noch beste Mutter und Ehefrau sein - was sonst?

70 Arbeitsstunden pro Woche in Kombination mit dem oben Erwaehnten, erforderten ein Uebermass an Planung und Organisation. Filofax, Outlook und taeglich neu erstellte to-does-Listen schienen unverzichtbar. Natuerlich musste das eine oder andere delegiert werden, an eine Haushaltshilfe oder die Familie, und das funktionierte keineswegs immer reibungslos. 

Ein entspannter Samstag / Planung:
ausschlafen, gemuetlich fruehstuecken, ein bisschen shoppen, im Garten liegen, ein Buch lesen mit einem eisgekuehlten Drink in der Hand, gemeinsam mit Ehemann kochen und essen,  im Whirlpool liegen, ein bisschen Sex haben, schlafen und auf einen schoenen Sonntag freuen.


Ein entspannter Samstag / Ausfuehrung;
9:00 aus dem Bett springen, schon so spaet, wir muessen noch einkaufen. Ehemann brummt, koennen wir auch am Nachmittag machen. Nein, kontert Ehefrau, koennen wir nicht, denn dann gibt es kein frisches Brot mehr, kein Obst, kein Gemuese, kein frisches Fleisch. Also los! Duschen, anziehen, zum Fruehstuecken bleibt keine Zeit. Ausserdem koennten wir noch bei der Gaertnerei vorbeifahren, ich haette so gerne ....... 
4 Stunden, 3 Supermaerkte und ein Gartencenter spaeter sind alle Einkaeufe verstaut, abgepackte Frikadellen waehrend der Fahrt anstelle von Fruehstueck und Mittagessen verputzt.


Die Sonne brennt. Die Doppelliege wird mit Matratze und Kissen dekoriert, kleine Tischchen daneben placiert, damit sie und Ehegespons eine Ablage haben fuer ein Glas, ein Buch und unverzichtbar, ein paar dekorative Elemente. Sonnenschirm in die perfekte Position gerueckt und Ehemann laesst sich grunzend in die Kissen sinken, schlaegt sein Buch auf, ueber dem er nach wenigen Minuten einnickt.


Im Wintergarten glueht die Luft, die Pflanzen lassen alles haengen und duersten nach einem grossen Schluck Wasser. Sie schleppt Giesskanne um Giesskanne. Die neuen Erungenschaften aus dem Gartencenter werden so lange placiert und umplaciert, bis sie den richtigen Standort gefunden haben, Spaten holen, ausgraben, einpflanzen, angiessen. An der Rose muss geschnipselt werden, die Grashalme an den schmiedeeisernen Beeteinfassungen stehen zu hoch, wo ist die Schere. 


So eine Hitze, Durst .... in der Kueche ein schoenes grosses Glas mit vielen Eiswuerfeln mixen. Beim ersten Schluck und Blick aus dem Kuechenfenster, oh mein Gott ... die Blumen in den Blumenkaesten schreien ja auch nach Wasser. Giesskanne um Giesskanne schleppt sie hinter das Haus.

2 Stunden spaeter sinkt sie in die Kissen und nimmt den neuen Krimi zur Hand. 10 Seiten ,.... na ja, die Spannung laesst noch zu wuenschen uebrig. Sie schlaegt die letzten Seiten auf, ja so ist das, kein einziger Krimi wird gelesen, ohne erst das Ende zu kennen, das muss sein.
Ehemann erwacht, wie spaet ist es? Was gibt's zu Essen? Du hast doch erst gegessen mault sie, ich komme einfach nie zur Ruhe. Ehegespons guckt verbluefft, wir liegen doch schon den ganzen Nachmittag im Garten, reicht das nicht?

Die Perfektionistin besucht Freunde/Familie und dreht auf der Toilette die Papierrolle um, weil sie falschherum haengt. Es bedarf ungeheurer Beherrschung in fremden Wohnungen nicht herumzuraeumen, weil der Blumentopf in der anderen Ecke besser aussehen wuerde und die Lampe ebenfalls dort, oder weil die Besteckschublade nicht oekonomisch sortiert ist. 


Bei der Perfektionistin muessen Farbharmonien stimmen, Waende, Kissen, Kerzen, Tischdecken, Blumen, Vorhaenge .... und es wird so lange veraendert bis sie Befriedigung findet. Das Wohnzimmer malert sie nachts aus, weil sie sich neue Vorhaenge hat naehen lassen und als Ehemann um 1 Uhr nachts vom MC Clubabend nach Hause kommt, strahlen die Waende in neuen Farben, alles ist geputzt und neu dekoriert.

Als sie den weissen Shabby Look fuer sich entdeckt, werden alte Moebelstuecke in muehsamer Handarbeit abgeschliffen, grundiert, lackiert, wieder geschliffen und wieder und wieder, bis endlich ein alter, abgegriffener Eindruck entsteht, den andere Menschen als schaebig bezeichnen wuerden. Und dann muessen die Kerzen und Leuchter dazu passen und die Blumentoepfe und, und, und ..... und niemals ist ein Ende in Sicht.

Auf die beruflichen Herausforderungen bereitet sie sich akribisch vor, viele Wochenenden werden dafuer aufgewandt, denn Halbherziges ist der Perfektionistin ein Graus.

Heute ist alles anders. Die Perfektionistin ist nicht mehr.

Wohnen hat einen voellig anderen Stellenwert, es beschraenkt sich auf eine Stunde morgens und 2 bis max. 3 Stunden abends und schlafen. D.h. Bett ist wichtig, Kerzenbeleuchtung, Ventilatoren (um die 30 gradige Luft nachts auf ertraeglich abzukuehlen), Kuehlschrank in dem sich auch Eiswuerfel herstellen lassen, Raeucherspiralen gegen Moskitos und der typische Thaibesen, mit dem die allgegenwaertigen Ameisen und der Geckodreck weggefegt werden, morgens und abends.

Die all seasons deko besteht aus Muscheln mit Sand, Muscheln ohne Sand, Muscheln an Schnueren, Orchideen und sonstigen Urwaldpflanzen.  Gemaelde gibt es wieder, Ying unsere begnadete Kuenstlerin ist daran schuld, 5 Bilder aus ihrer Galerie nenne ich inzwischen mein eigen.

Die Arbeitsuniform kommt in die Laundry (zuhause gibt es keine Waschmaschine) der Kleinkram wird im Eimer gewaschen. Einzig neu gekauft werden von Zeit zu Zeit Flip-Flops, weil deren Lebensdauer beschraenkt ist.


Das kleine Dschungelhaeuschen verfuegt ueber keine Kueche, ein grosser Kuehlschrank mit Eisfach!, eine Kaffeemaschine vom Boss geborgt, ein Wasserkocher und ein paar Stueck Plastikgeschirr und das allernoetigste Mobiliar aus Bambus bilden den Hausrat.
Dieser Wohnstyle erinnert an die ersten selbstaendigen Schritte, hinaus aus dem Elternhaus, fantasievoll improvisiert mit Geschenken und Leihgaben von ueberall her.

Nun stellt sich mir die Frage - wo kommen eigentlich die Perfektionisten her? 
Geboren werden sie nicht, soviel steht fest. Ich war ein faules Kind, eine faule Jugendliche, ich bewegte mich langsam und wollte mich nie hetzen lassen.
Was ist schiefgelaufen?
Wann war sauber nicht mehr sauber genug?
Wann verfiel ich in Trab und konnte nicht mehr abbremsen? 
Wann fing ich an meinen Blutdruck in ungesunde Hoehen zu jagen? Ab welchem Zeitpunkt war ich der Meinung, dass 100%ige Perfektion von mir und meiner Umwelt verlangt wuerde aber ich mindestens 120% geben muesste?
Die Antwort lautet: ich wurde erzogen und lernte mich anzupassen.


Mein neues Leben ist viel schlichter aber auch bequemer, einfacher. 
Um mich herum ist nichts und niemand perfekt,
nichts und niemand erhebt einen Anspruch darauf.  

Nichtsdestotrotz habe ich gerade 3 Stunden bei Gita, meiner persoenlichen Schoenheitspflegerin verbracht. Neben der Strasse, nur 3 Stufen erhoeht, im Schatten eines Vordaches sitzend hat sie mir die Fuesse pedikuert, Naegel manikuert, Haare gefaerbt und geschnitten - coram publico - jeder der will kann zusehen, wir quatschen und lachen, der Schneider von nebenan schaut vorbei, ihr deutscher Ehemann (serviert mir Eiswasser) und danach brachte sie mich mit dem Bike zurueck ins Office.


Ich fuehle mich gut, freue mich darauf, dass Peter morgen Abend wieder vom Boot kommt und bin weit davon entfernt perfekt zu sein - welch eine Erleichterung!