Vorsicht mit den Träumen - sie könnten in Erfüllung gehen!



Buddha sagt: "Laufe nicht der Vergangenheit nach und verliere dich nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist noch nicht gekommen. Das Leben ist hier und jetzt."







Donnerstag, 2. September 2010

August 12th – Wilcannia IV

Ich bin sehr nachdenklich, traurig und wütend. Wir haben nämlich nicht nur geangelt und gegrillt in den letzen Tagen, sondern viel geredet und vieles über das Leben in der Community erfahren. Immer schon, seit meinen Schulzeiten, war ich eine „Mutter Theresa“, die für die Unterdrückten eintrat und für deren Rechte. Deshalb bin ich jetzt so wütend, denn


Rechte, haben die 360.000 Aborigines in Australien bis heute keine. Obwohl es ihr Land ist, mindestens 50.000 Jahre lang waren sie die Herren von Australien (nach wissenschaftlicher Einschätzung) Ganz egal, was die Regierung in Canberra beschließt und verlauten lässt, Realität ist, dass Rassenhass ein ganz großes Thema ist und dass es selbst in so kleinen 600-Seelen-Communities, immer ein paar Weiße gibt, die ihre Machtspielchen ausleben, sich selbst bereichern und die Versprechen der Regierung wie Luftblasen zerplatzen lassen. Weiße, die nicht wollen, dass die „Schwarzen“ lernen, sich weiterbilden, Berufe ausüben und ein Mitspracherecht erwerben. Diese „Feudalherren“, so möchte ich sie einmal nennen, boykottieren jeden Fortschritt, behandeln die Gemeindemitglieder wie unmündige Kinder, lügen und betrügen und betreiben Vetternwirtschaft der übelsten Sorte.

In den Städten ist es noch schlimmer. Dort leben die Aborigines in den Slums, gehen zum Betteln auf die Straße und das Herz bricht mir, wenn ich sie sehe, gebückt und gebrochen, den Blick zu Boden gewandt, weil keiner mit ihnen spricht. Die unvermeidliche Flasche in der braunen Papptüte in der Hand und die spärlichen Almosen empfangend. Theoretisch würde jeder Ureinwohner eine staatliche Stütze erhalten. Praktisch ist aber alles anders, denn viele von diesen Menschen können nicht schreiben und lesen, keiner erzählt ihnen etwas von solchen Regelungen, keiner füllt für sie die Anträge aus. Ich frage mich zum wiederholten Male, was zum Teufel, tun eigentlich all die sogenannten Hilfsorganisationen? Wo sind denn die streetworker, die auf der Strasse zu den Ärmsten gehen um zu helfen?

Ganz Australien hat ca. 19 Mio. Einwohner. Bunt gemischt aus Europa und Asien kommend und 360.000 Aborigines. Der Anteil der Ureinwohner macht also nicht einmal 2 % aus. Manchmal bin ich auch nicht mehr stolz zur weißen Rasse zu gehören, genauso wenig wie zu den Christen.

Uncle Colin zeigte uns mehrere Foto Alben. Vor 20 Jahren unternahm er seine große Lebensreise, 7 Wochen lang, nach Arnhem Land. 1977 wurden die Aborigines „Land Rights“ gesetzlich anerkannt und man gestand ihnen wieder die Kontrolle über einige ihrer wichtigsten Kultstätten (wie den Uluru) zu. Seither erhielten sie ca. ein Drittel der Fläche des Northern Territory zurück und verwalten sich selbst. Seine Bilder zeigen fröhliche, stolze, aufrechte Menschen – geradezu paradiesische Bilder.

Doch auch dieses Paradies hat seine Schlange. Der einzige Lebensmittelladen dieses Gebietes gehört einem weißen Rassisten und die Preise spotten jeder Vorstellung. Dieser Shop Besitzer sperrt seine Vorratskammern nur nach Gutdünken auf, desinteressiert an den oft stunden- oder tagelang wartenden Menschen und noch bevor alle bedient sind, schließt er wieder.

Ich kann es nicht verstehen. Wie ist so etwas möglich? Wieso kann ein Weißer im Aborigines Land einen Shop betreiben und sich so aufführen? Wieso macht keiner etwas gegen seine Willkür?

Also, jetzt ist erst einmal meine persönliche Seifenblase geplatzt, denn ich dachte, dies alles wäre dunkle Vergangenheit und hier würden sich die Rassen alle untereinander vertragen. Aber nein, die weiße Herrschaft dauert gerade einmal 200 Jahre und das ist viel zu wenig Zeit, um etwas in den Köpfen oder Herzen der Menschen zu verändern, oder sie etwas zu lehren.

Uncle Colin z.B. hat eine Ausbildung als Schreiner und diese als bester des Countys abgeschlossen – inkl. Goldmedaille, die ihm dafür verliehen wurde. Trotzdem hat er (heute 47 Jahre alt) nicht einen Tag seines Lebens in seinem Ausbildungsberuf arbeiten dürfen. Kein Weißer gab ihm einen Job als Schreiner. Er arbeitete als Pizzabäcker, Hausmeister und was weiß ich noch alles, um seine Familie zu ernähren, seinen Kindern eine gute Ausbildung bieten zu können. Er ist King seines Clans, engagiert sich für seine Mitmenschen, ist intelligent und gebildet – in meinen Augen wäre er der beste Bürgermeister, den sich Wilcannia wünschen könnte. Doch warum geht das nicht?

Weil …. ein Bürgermeister hier nicht gewählt wird, sondern mittels Stellenausschreibung, wie in irgendeinem anderen Job, gesucht wird. Diese Stellenausschreibung verlangt z.B. einen Akademiker, aber nicht, dass dieser den Ort auch nur kennen müsse, oder seine Menschen, seine Probleme, seine Bedürfnisse. Pervers oder?

Dasselbe gilt aber auch für den Polizeichef und den Schuldirektor. Beide Jobs werden grundsätzlich mit Auswärtigen besetzt und sind auf min. 2 Jahre begrenzt. Zur besseren Vorstellung, es ist wie allerorts bekannt: ein relativ erfolgloser, unbeliebter, frustrierter, gemobbter, Polizist oder Lehrer, lässt sich nach Sibirien versetzen, in unserem Falle nach Wilcannia, in seiner Vita steht nun Polizeichef /Schuldirektor. Nach 2 Jahren kann er sich wieder versetzen lassen, allerdings als Chef / Direktor mit Erfahrung, und an einen attraktiveren Ort, so macht man Karriere!!! Und …. neue Besen kehren gut, in diesem Sinne bringen sie ihre eigenen rules (Gesetze und Vorschriften) mit, nach 2 Jahren kommt der Nächste mit neuen rules – wen interessiert schon die Community und ihre Menschen? Nie bekommen die Gemeindemitglieder und ihre Kinder eine Chance auf Kontinuität. Nie erfahren sie Achtung und Respekt. Wie soll man sich kennenlernen, miteinander über Sorgen und Nöte reden, planen und durchführen, Vertrauen aufbauen und auch erfüllen können, wenn jeder nur auf der Durchreise ist?

Und schafft es ein Einheimischer, durch einen persönlichen Kraftakt, sich auszubilden, um seinen wertvollen Beitrag für die Community leisten zu können, ein eigenes Business aufzumachen, dann wird der Behördenweg ein so unendlich langer, werden seine Briefe und Anträge jahrelang liegengelassen, wird er ausgebootet, werden ihm finanzielle Unterstützungen versagt. Mich wundert 1., dass das Alkoholproblem ein nicht noch viel größeres ist, als es schon ist und 2., dass diese ewig unterdrückten Menschen nicht brennend und mordend durch die Straßen ziehen.

Als die ersten Weißen ins Land kamen, Strafgefangene und ihre Bewacher, vertrieben sie durch die Anlagen von Sträflingslagern, Siedlungen und Weidestationen die Ureinwohner aus ihren Jagd- und Stammesgebieten. Sie betrachteten die Eingeborenen, eher als Tiere, denn als Menschen und als diese sich erbittert zur Wehr setzten war die Bestrafung für jeden getöteten Weißen fürchterlich und dehnte sich auf Frauen und Kinder aus.

1816 erließ die Britische Regierung die „Proclamation of Native Outlawry“, die erlaubte, dass Aborigines von Weißen ungestraft getötet werden durften. Über dieses dunkelste Kapitel ihrer Geschichte in Australien wollen die Briten nichts mehr hören, es wird in ihren Geschichtsbüchern nicht erwähnt. Ebenso wenig wie die „lost Generation“. Bis in die 1970er Jahre trennten Regierung und Kirche ca. 100.000 Aborigine-Kinder von ihren Eltern und brachten sie in Missionen und bei Pflegefamilien unter, weil nach ihrer Meinung die „Wilden“ nicht in der Lage waren Kinder aufzuziehen.

Die Neuseeländischen Maoris, mit dem ihnen vorauseilenden Ruf als Kannibalen und kompromisslose Krieger, lehrten ihre Feinde das Fürchten, errangen von Anfang an mehr Rechte und besetzen heute mehr und mehr einflussreiche Positionen im Land. Ihr Haka (Kriegstanz) wird noch immer auf den Sportfeldern getanzt – und ich gestehe, ich finde ihn furchteinflößend aber faszinierend animalisch. Außerdem zeigt sich, dass Angst machen, ein probates Mittel ist, um Respekt zu erlangen.

Es ist zum verrückt werden, Peter und ich, fanden auch gemeinsam mit Uncle Colin, keine praktikable Variante, wie wir diesen Menschen persönlich helfen könnten. Um die Herrscher der Stadt auszustechen, oder ihnen wenigstens in die Suppe zu spucken, fehlt uns das Geld und Beziehungen nach oben haben wir erst recht nicht. Uncle Colin weiß aus leidvoller persönlicher Erfahrung, dass seine Stimme außerhalb seiner Community, auch kein Gewicht hat.

Deshalb bin ich heute so traurig. Froh aber auch über diese Tage, in denen wir so viel lernen durften und phantastischen Menschen begegnet sind. Dankbar sind wir über die neuen Einblicke in das wahre Australien und seine echten Menschen.

Heute Abend geben wir unsere Gegeneinladung zum Dinner. Ich mache ein Beef Stew (Rindseintopf mit Zwiebeln, Süßkartoffeln, Karotten, grünen Bohnen und Kürbis) und bin schon neugierig wie es bei unseren Gästen ankommen wird. Beim BBQ, bei Tony und Candela, war mein Sweet Potatoe Mash (Kartoffelpüree) DER Hammererfolg. Tony nahm 5 x Nachschlag (und das, obwohl ich keine Muskatnuss hatte). Ich habe schon festgestellt, mit Gewürzen kennen sie sich nicht so aus und so kann ich mit Moni’s Geheimrezepten punkten and tell them – that I am „cooking with love“.

So spinne ich ein wenig weiter, wir könnten ein heruntergewirtschaftetes Roadhouse übernehmen. Erfahrung, wie so etwas zu funktionieren hat um erfolgreich zu sein, machen wir gerade ausführlich. Die Trucker, die Road Train Captains, sind die wichtigste Kundschaft, natürlich neben all den Reisenden (eventuell auch den Backpackern) die den australischen Kontinent sowieso ständig durchqueren. Ein freundliches Lächeln, saubere Sanitäranlagen mit heißem Wasser und Wasch- und Trockenautomat, sollte nach meinen Vorstellungen, so ein Haus vorweisen können (für die Backpacker vielleicht auch noch ein Hängemattenhaus nach mexikanischem Vorbild), einen Mini-Shop für das Nötigste und darüber hinaus guuuutes Essen. Was wir on the road bisher so angeboten bekommen, ist sehr unterschiedlich. In White Cliffs z.B. eine traumhafte Quiche, aber auch fish and chips, wo der Fisch in seiner Panade im Öl ersäuft, oder eine Sausage (Wurst) die seit Stunden in ihrem Teigmantel herumgelegen sein musste – ungenießbar.

Ich höre schon die Road Captains im CB-Funk durchsagen:

„hi Guys on the road, come and visit Monica’s roadhouse at highway No1 and enjoy the best meal you ever had… she offers homemade Austrian kitchen ….delicious …. see you at Monica’s!”

Meine Männer wollen tauchen, tauchen, tauchen, aber ich muss ja auch etwas vernünftiges zu tun haben und hungrige Männer satt kriegen, DAS kann ich gut. Die Ladies hängen auch immer Zettel auf, für die harten Jungs von der Straße „ihr seid Gentleman – vergesst das nicht – fluchen am Tresen ist nicht erlaubt“ , das finde ich gut :-)

Der Abend bei Kings wurde wieder laaaaang. Ich bin leider immer die Erste die aufgibt, die anderen … oh meine Herren … scheinen tagelang ohne Schlaf auskommen zu können. David sollte verheiratet werden, die Braut erschien vor Ort, das Haus in Wilcannia steht auch schon bereit. Family, Clan, allen voran Uncle Colin, unternehmen alle Anstrengungen um uns for ever hier zu halten. Und wir ???? wir möchten einerseits aus ganzem Herzen helfen, weil wir mit unserem Können und Wissen wirklich gut sein würden, für die Community, weil sie unsere Herzen im Sturm gewonnen haben, weil wir uns zwischen diesen herzlichen Menschen so wohl fühlen wie David. Aber ohne eine Chance hier auch Geld zu verdienen – geht nicht. Andererseits ist Wilcannia auch einige Kilometer zu weit von jedem Ozean entfernt, für die Taucher ….. wir sind ziemlich zwiegespalten …… will see, no worries, der Abschied war tränenreich und eins steht fest, see you……, our friends and family in Wilcannia.

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